Wahlen 2021

Am 26. September fanden nicht nur die Wahlen zum 19. Deutschen Bundestag statt. In Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wählten die Bürger zudem an diesem Tag ihre Landesparlamente. In Berlin wurden zusätzlich die Bezirksverordnetenversammlungen neu gewählt. Wir haben analysiert, was die Parteien im Bund und den Ländern erreichen wollen.

Dazu haben wir die Wahlprogramme von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linkspartei auf jene Themenfelder abgeklopft, die für den VDGN von besonderer Bedeutung sind: Grundsteuer, Kleingärten, Schuldrechtsanpassungsgesetz, Mobilität, Energiewende und die Tangentialverbindung Ost (TVO) in Berlin.

Reform der Grundsteuer sozialverträglich umsetzen

Mit der Reform der Grundsteuer – konkret: mit der Umsetzung des wertorientierten Scholz-Modells – droht besonders Eigenheimbesitzern in ostdeutschen Ballungsgebieten eine neue starke finanzielle Belastung. Dies betrifft Menschen, die in ihren Eigenheimen leben und die ihre Häuser oftmals für die eigene Altersvorsorge erworben haben. Um hier soziale Härtefälle zu vermeiden, hat der VDGN ein Positionspapier zur Grundsteuer (INTERNER LINK!) erarbeitet. Unsere Vorschläge: Für die ersten 300.000 Euro Immobilienwert plädieren wir für einen Abschlag von 40 Prozentpunkten; zwischen 300.000 und 500.000 Euro für einen Abschlag von 25 Prozentpunkten und zwischen 500.000 und einer Million Euro für einen Abschlag von 15 Prozentpunkten. Ab einer Million Euro kommt dann kein Abschlag mehr zur Anwendung.

Berlin und Mecklenburg-Vorpommern haben bereits erklärt, dass vom Bund vorgegeben Modell zu übernehmen. Was sagen die Parteien in den beiden Ländern zur Umsetzung? In Mecklenburg-Vorpommern greift nur die FDP das Thema auf und appelliert an die Kommunen im Land, die Hebesätze so auszugestalten, dass sich für die betroffenen Grundstückseigentümer keine Mehrbelastungen ergeben. Langfristig strebt die FDP ein Modell an, bei dem die Bodenfläche die zentrale Berechnungsgröße für die Grundsteuer darstellt, unabhängig von Bebauung und Nutzung.

Bei den Berliner Parteien ist das Meinungsbild unkonkret bis diffus. Die Lage in der Hauptstadt ist auch insofern eine besondere, als dass die Grundstücke im Ostteil der Stadt aufgrund des Wertzuwachses in den letzten Jahrzehnten von besonders schmerzhaften Steuererhöhungen betroffen sind. Und da die Bezirke, im Gegensatz zu Kommunen in Flächenländern, keine eigenen Hebesätze festlegen, gleicht die Lösung dieses Problems der berühmten Quadratur des Kreises. Dabei würde der Vorschlag des VDGN die größten Ungerechtigkeiten und Belastungen verhindern.

Kleingärten – unverzichtbare Oasen für Mensch und Natur   

Im Bund nur bei zwei Parteien im Programm

Für den VDGN sind Kleingärten ein hohes soziales und ökologisches Gut, welches es nicht nur zu schützen, sondern auch zu erweitern gilt. Millionen Menschen brauchten ihn als Ort sinnvoller Freizeitgestaltung in und mit der Natur, als Raum sozialer Integration, zwischenmenschlicher Bindungen und ehrenamtlichen Engagements, als Refugium der Entspannung und Gesunderhaltung. Für die Kommunen bringt er zudem unverzichtbare ökologische Vorteile, finanzielle Entlastung und eine Aufwertung der Quartiere.

Auf Bundesebene wird das Thema Kleingärten nur bei Linken und Grünen erwähnt. Dabei steht dem Bundestag mit dem Bundeskleingartengesetz ein wirksamer Hebel zur Verfügung, um das Leben und Erholen in den so wichtigen Oasen zu gestalten. Die Linkspartei verspricht in ihrem Wahlprogramm, der Verdrängung von Kleingärten mit einem Kleingartensicherungsprogramm entgegen treten zu wollen. Weitere konkrete Ausführungen fehlen. Für die Grünen sind die bestehenden Kleingärten ein wichtiges Element einer nachhaltigen Stadtentwicklung.  

Geteilte Pläne in den Ländern

Bei den Parteien in Mecklenburg-Vorpommern spielt das Thema kaum eine Rolle. Lediglich die Linkspartei würdigt in ihrem Wahlprogramm die Bedeutung der Kleingärten und sichert deren Erhalt zu. Allen anderen untersuchten Parteien ist das Thema keine Erwähnung wert.

In Berlin sind sich fast alle Parteien einig, dass die grünen Oasen in der Großstadt unbedingt erhalten bleiben und, wo möglich, auch ausgebaut werden sollen. Also alle bis auf eine Partei – die FDP. Aus ihrer Sicht müssen Kleingärten auch neuen Wohnungen und Straßen weichen.  Oder wie es im schönsten Politikerdeutsch heißt:  Kleingärten müssen insbesondere im S-Bahn-Ring „einen Beitrag zur Schaffung von Wohnraum und sozialer Infrastruktur“ leisten. „Einen Beitrag zur Schaffung von Wohnraum“ zu leisten, klingt ja auch viel positiver als „müssen verschwinden“.

Schuldrechtsanpassungsgesetz – auch 30 Jahre nach der Einheit nicht vergessen!

Nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz müssen die Nutzer von Wochenend- und Garagengrundstücken in den ostdeutschen Bundesländern ab 2023 damit rechnen, dass sie, wenn es zu einer Kündigung kommt, die vollen Abrisskosten für ihr Wochenendhaus bzw. ihre Garagen übernehmen müssen. Das betrifft heute auf der einen Seite vor allem Rentner mit einer kleinen DDR-Rente, die vor 1989 ein Grundstück mit einem Nutzungsvertrag erworben und dann darauf gebaut haben. Auf der anderen Seite handelt es sich oft um Grundstückseigentümer, die nach Abriss der Datschen einen erheblichen Wertzuwachs z.B. als Bauland für Einfamilienhäuser realisieren können. Das ist keine gerechte Lastenverteilung. Deshalb appelliert der VDGN im Namen ostdeutschen Besitzer von Wochenend- und Garagengrundstücken an die künftige Regierungskoalition im Bund, den §15 Abs. 3 Schuldrechtsanpassungsgesetz ersatzlos zu streichen. Hiermit schützen wir die Betroffenen vor hohen finanziellen Belastungen bei Rückgabe eines Grundstücks und schaffen für alle Seiten Rechtssicherheit.

Trotz der großen Bedeutung für viele Menschen in den ostdeutschen Ländern findet sich in keinem der analysierten Wahlprogramme eine Aussage zu dieser Thematik.

Der VDGN wird hierzu mit Beginn der Koalitionsverhandlungen wieder aktiv werden.

Verlässliche und bezahlbare Mobilität für alle

Die Frage der Mobilität ist zu einem zentralen Problem für den Großteil der Grundstückseigentümer geworden. Vor allen auf dem Land gibt es zu wenig Mobilitätsangebote für verschiedene Verkehrsträger, die dann auch noch schlecht oder meist gar nicht aufeinander abgestimmt sind.  

Der VDGN sieht hier dringenden Handlungsbedarf und bringt sich deshalb bundesweit mit konkreten Vorschlägen zu dieser Thematik ein. Schwerpunkte hierbei sind die bessere Anbindung der Gebiete außerhalb der Zentren und eine übersichtliche und für jeden Kunden bezahlbare Tarifstruktur. Die gilt gleichermaßen für die Außenbezirke Berlins (in denen 70 Prozent der Berlinerinnen und Berliner wohnen) wie für die ländlichen Regionen in den Flächenländern. Ersteres ist bei allen Parteien Konsens. Nur die Wege dorthin unterscheiden sich – ob die von der FDP geforderte Zerschlagung der Bahn wirklich zu den auf dem Papier dargestellten Effizienzgewinnen führt, bleibt offen.

Ein kostengünstigerer bzw. perspektivisch sogar kostenfreier ÖPNV wird bis auf die FDP von allen untersuchten Berliner Parteien in Aussicht gestellt. Bekanntestes Modell ist hierbei das sogenannte „365-Euro-Ticket“.

Der in den Medien häufig dargestellte „Kampf ums Auto“ schlägt sich in dieser Vehemenz in den Wahlprogrammen nicht nieder. Lediglich die Berliner Grünen fordern ein Verbot von Verbrennungsmotoren in der Stadt ab 2030. Dass eine solche Debatte im Flächenland Mecklenburg-Vorpommern keine Freunde bringt, haben offensichtlich die örtlichen Grünen erkannt – und sprechen in ihrem Programm davon, die „Mobilität mit dem Auto verantwortungsvoll zu gestalten“.     

Der VDGN bringt sich bundesweit und in den Ländern mit seinen Positionen zur Mobilität in die politische Diskussion ein.

Energiewende – nachhaltig, sicher und bezahlbar

Bei zwei Dingen sind sich alle Parteien einig: Deutschland muss klimaneutral werden und nach 20 Jahren Energiewende sollen die Bürger für die starken Belastungen einen finanziellen Ausgleich bekommen. Auch der VDGN sieht die Notwendigkeit, unser Leben und Wirtschaften klimafreundlicher zu gestalten und unser Energiesystem auf Grundlage erneuerbarer Energien umzubauen. Doch Zwangsmaßnahmen, wie zuletzt das Berliner Solargesetz, lehnen wir strikt ab. Stattdessen braucht es individuelle Beratungsangebote für Haus- und Wohnungseigentümer sowie allgemein effiziente Förderprogramme von Bund und Ländern, um die Nutzung erneuerbarer Energien auszuweiten. Dazu braucht es eine stärkere Finanzierung der Energiewende aus dem Bundeshaushalt und direkte Zahlungen aus den Einnahmen des nationalen Emissionshandels an die Menschen.  So würde besonders klimafreundliches Verhalten belohnt. Das ist besser für Mensch und Klima als die Verbraucher zu bestrafen, weil sie sich kein neues Elektroauto leisten können oder in einer schlecht gedämmten Wohnung leben.

In der Klima- und Energiepolitik bleiben sich die Parteien hinsichtlich ihres Weltbildes treu (nicht alle verfestigten Bilder sind Klischees): Während die FDP Technologieoffenheit und Marktmechanismen (wie beim Emissionshandel) in den Mittelpunkt stellt, strahlen die Programme der Grünen den größten Dirigismus aus, was sich u.a. beim Bestreben zeigt, die in Berlin gültige Solarpflicht auf ganz Deutschland auszuweiten.

Unklar ist, ob sich das von allen Parteien gezeichnete Bild „Heilsversprechen Wasserstoff“ wirklich so für den einzelnen Menschen auszahlt, oder ob hier nicht eher die Betreiber von großen Gasinfrastrukturen zufrieden gestellt werden sollen.    

Nach 20 Jahren Diskussion die Tangentialverbindung Ost (TVO) endlich realisieren

Bei kaum einem Verkehrsprojekt ist der breite Nutzen – oder besser: die dringende Notwendigkeit – so offensichtlich wie bei der Tangentialverbindung Ost (TVO). Denn hierdurch werden weit mehr als 100.000 Menschen in den drei Berliner Bezirken Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick von täglichen massiven Staus vor ihrer Haustür und den damit einhergehenden Belastungen durch Lärm und Abgase entlastet.  Verursacht werden die Staus in den drei hauptsächlich betroffenen Straßen – Köpenicker Straße, Treskowallee, Rudolf-Rühl-Allee – von täglich insgesamt rund 100.000 Fahrzeugen: Für die betroffenen Anwohner und für den Wirtschaftsverkehr als Grundlage für Ansiedlungen eine unzumutbare Situation. Zudem spielt die TVO eine zentrale Rolle bei der verkehrlichen Anbindung des Flughafens BER und vieler Unternehmen im Berliner Südosten.

Bis auf die Grünen sprechen sich alle Parteien in ihren Wahlprogrammen für das Berliner Abgeordnetenhaus für eine zügige Realisierung der TVO aus. Das passt ins Bild, ist es doch die grüne Verkehrssenatorin, die die Planungen in den letzten Jahren massiv verschleppte. Wie so oft ist die Partei hin- und hergerissen zwischen grünen Bullerbü-Träumen und der Realität. Leidtragende dieser Zerrissenheit und darauffolgenden Handlungsunfähigkeit sind die Menschen vor Ort.

Erst im Mai dieses Jahres hat der VDGN eine Resolution zur zügigen Realisierung der TVO initiiert, der sich bis heute knapp 40 Unterstützer angeschlossen haben – von Politikern aus Land und Bezirken, über Unternehmensverbänden aus verschiedenen Branchen bis hin zu lokalen Initiativen von betroffenen Anwohnern. Auf dieser Grundlage werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass im Jahr 2022 tatsächlich das Planfeststellungsverfahren für die TVO beginnt.     

Wahlprüfstein des Vereins “Siedlungsverträgliches Grundwasser Berlin e.V.” zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses sowie zur Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Neukölln mit folgender Frage:

Wollen Sie sich – im Falle Ihrer Wahl – für den Erhalt und Betrieb bzw. den Neubau der Brunnengalerie im Glockenblumenweg auf Kosten des Landes Berlin einsetzen?

So haben die Parteien geantwortet