Am Samstag, dem 16. September 2023, gab es etwas zu feiern: das 50-jährige Jubiläum der beiden Garagengemeinschaften „Krönerstraße“ und „Bahndamm“ in Anger-Crottendorf. Doch was auf den ersten Blick wie ein unbeschwertes Volksfest anmutete, hatte auch einen sehr ernsten Hintergrund. Geht es nach dem Willen der Stadtverwaltung, sind die Tage der beiden Garagenhöfe gezählt, droht den Nutzern der entschädigungslose Verlust ihres Gebäudeeigentums. Anstelle der Garagenhöfe soll ein Schulneubau errichtet werden, obwohl es dafür nach Auffassung der Vereine Alternativen gibt.
„Trotzdem haben wir uns entschlossen, dieses Fest zu feiern. Wir wollen zeigen, dass wir stolz sind auf das, was wir in den vergangenen Jahrzehnten geschaffen haben, und auf das, was sich in dieser Zeit bewährt hat: eine Gemeinschaft, die viele Menschen im Wohngebiet verbindet und ihnen ermöglicht, trotz mangelhaftem ÖNPV ihr Leben und ihre Arbeit zu bewerkstelligen.“ so der Sprecher der Garagengemeinschaften Lutz Hartung (siehe auch den angefügten Beitrag über deren Chronik).
Was würde Wegfall der Stellplätze für den ruhenden Verkehr im Wohngebiet bedeuten, dort wo schon jetzt um jeden freien Parkplatz gekämpft wird. Und was würde es mit den Menschen machen, die sich übergangen fühlen? Die Anger-Crottendorfer wollen sich wehren und Alternativen aufzeigen, auch mit Unterstützung des VDGN, der allein in Leipzig 25 Garagenvereine mit über 2500 Mitgliedern vertritt.
Da ist diese Pressemitteilung der Stadtverwaltung vom 9. Mai 2022. Die Überschrift lautet „Leipzig zeigt Perspektive für den Schulhausbau auf“. Im Kern geht es jedoch darum, welche Garagenhöfe weichen sollen, um künftig als Schulstandort oder als Tauschobjekt für einen solchen zu dienen. Wer für den Erhalt der Garagenhöfe kämpfe, sei gegen neue Schulen, so wird es zwischen den Zeilen suggeriert. Das ärgert die Garagennutzer in Anger-Crottendorf.
Denn, so Lutz Hartung: „Von den Garagengemeinschaften und dem Bürgerverein ACtiv – für- Bürger e.V. wurden fünf Alternativen vorgeschlagen, die den Abriss der Garagen nicht erforderlich machen und außerdem finanziell günstigere Lösungen darstellen. Gleichzeitig wurde gefordert, die im Stadtteil geplanten weiteren Maßnahmen zu überdenken und andere Lösungen zu finden.“
Als Gast herzlich begrüßt wird an diesem Samstag Stadtrat Dr. Volker Külow von den Linken, der sich in den vergangenen Jahren besonders stark für berechtigte Interessen der Leipziger Garagennutzer eingesetzt hat. Eine Hörfunkredakteurin und ein Dokumentarfilm-Team sind dabei, um die Stimmung einzufangen. Auch Prof. Dr. Thomas Schmidt-Lux vom Forschungsbereich Kultursoziologie der Universität Leipzig ist gekommen – aus beruflichem Interesse. Denn spätestens mit der Aufnahme des Garagen-Themas in die Präsentation von Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025 setzt sich die Erkenntnis durch, ostdeutsche Garagenhöfe auch als wichtigen Teil eines sozialen Netzwerkes zu begreifen.
Doch noch immer seien die Garagenstandorte mit über 11.000 Garagen in Leipzig ein Stiefkind der Verwaltung und würden entsprechend nachlässig behandelt, sagt Volker Külow in einer kurzen Ansprache. Und weiter: „Die Linksfraktion trägt mit ihren Aktivitäten im Stadtrat dazu bei, diesen Zustand schrittweise zu ändern. Dazu gehört auch unsere Forderung nach einem stadtteilbezogenen Parkraum- und Garagenentwicklungskonzept, das gerade hier in Anger-Crottendorf besonders wichtig wäre.“
Die Linken, die im Leipziger Stadtrat die größte Fraktion stellen, erkennen laut Külow durchaus den Aspekt an, „dass die Grundstücksverknappung in der wachsenden Stadt objektiv zu einer verschärften Nutzungskonkurrenz führt.“ Aber, so Külow: „Diese Konflikte müssen bürgernah und mit Augenmaß sowie ohne ideologische Scheuklappen ausgetragen werden. Und vor allem mit seriösen Fakten zur Schulnetzplanung und der Anzahl künftiger Grundschulkinder. Auch hier werden wir genau hinschauen, ob eine neue Grundschule auf dem Garagenhof in der Krönerstrasse wirklich benötigt wird bzw. ob nicht ein alternativer Standort möglich ist.“
Nicht zuletzt sieht man auch in Anger-Crottendorf, die Chance, mit Photovoltaik-Modulen auf den Garagendächern und Ladestationen für E-Autos einen wichtigen Beitrag zu Verkehrswende zu leisten. Die Kommune, so die Erwartung der Garagennutzer, müsse endlich alle Probleme im Zusammenhang sehen. „Wir sind zuversichtlich, dass in diesem Sinne gemeinsam mit der Stadt Lösungen gefunden werden, und sind bereit, aktiv daran mitzuarbeiten“, betont deren Sprecher Lutz Hartung. Hagen Ludwig
Aus der Chronik der Leipziger Garagenvereine in Anger-Crottendorf
Von Lutz Hartung, Sprecher der Garagengemeinschaften Anger-Crottendorf
Stolz blicken die Garagenvereine „Krönerstraße“ und „Bahndamm“ auf eine 50-Jährige Geschichte zurück. Wieviel Herzblut der Vereinsmitglieder in diesen Jahren in den Bau und die Gestaltung der Garagenhöfe geflossen ist und wieviel gemeinsames Engagement in den Jahren entwickelt wurde, verdeutlicht eine zum Jubiläum vorgelegte Festschrift. Historische Dokumente und Fotos zeigen, wie dadurch das Zusammenleben der Einwohner im Stadtteil geprägt wurde.
Die Standortgenehmigung wurde von den Garagengemeinschaften am 1. November 1971 beantragt und im Januar 1972 vom Rat des Stadtbezirkes bestätigt. Das war das Startsignal für alle weiteren Aktivitäten. Es gab zwei Auflagen: Alles musste in Eigenleistung erbracht werden, und Material konnte nicht zur Verfügung gestellt werden. Also waren Eigeninitiativen gefragt. Die Baugenehmigung wurde eingeholt, und in kürzester Zeit erfolgte die Planung, ausschließlich von Vereinsmitgliedern in ihrer Freizeit erstellt. Es gab für alle Gewerke Spezialisten: Bauingenieure, Elektriker, Maurer und Leute mit Zugriffsmöglichkeiten auf die erforderliche Technik und das Material. Bereits im Juni 1972 konnte mit dem Bau begonnen werden. Jedes Vereinsmitglied musste 300 Arbeitsstunden leisten.
Besonders die Fundament- und Betonarbeiten ließen an heißen Sommertagen den Schweiß in Strömen fließen. Für die Montage der Betonfertigteile konnte glücklicherweise ein Kran organisiert werden. Die Dachdeckarbeiten und das Verputzen waren zeitaufwendig. Trotzdem konnten die ersten Garagen noch vor dem Wintereinbruch bezogen werden. Es war eine tolle Leistung, die uns alle bis heute noch stolz macht. Die gemeinsame Arbeit formte eine feste Gemeinschaft die sich über die langen Jahre erhalten hat. Dieses Miteinander wird heute in vielen Fällen von den Kindern der Erbauer als Nachnutzer der Garagen fortgesetzt.
Gemeinsam arbeiten und feiern und das Geschaffene erhalten: Das war Prinzip in den 50 Jahren des Bestehens. Und da gilt auch heute noch. Die Vereinsmitglieder helfen sich gegenseitig, reden miteinander, tauschen sich über ihre Probleme aus.
Jetzt heißt es, die Garagen sollen entschädigungslos abgerissen werden, um Platz für eine Schule zu schaffen. Weder wurde mit uns ernsthaft gesprochen, noch wurden ein Konzept oder eine Abwägung von Alternativen vorgelegt. So kann man nicht mit Menschen, die vor 50 Jahren Werte geschaffen haben und 50 Jahre in einer Gemeinschaft leben, die ihnen sehr viel bedeutet, umgehen.
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