Arroganz der Macht

07.03.2008

Schweriner Innenministerium übt sich mit Faltblatt zu „Altanschlüssen“ in Gesundbeterei

In Mecklenburg-Vorpommern ist es den Zweckverbänden politisch und rechtlich zugestanden worden, sogenannte Altanschließerbeiträge von Eigentümern jener Grundstücke einzutreiben, die schon zu DDR-Zeiten an die Kanalisation und die Trinkwasserversorgung angeschlossen waren. Das führte und führt zu erheblichen finanziellen Belastungen bei den Betroffenen. Eine Änderung des Kommunalabgabengesetzes, die zum Ende dieser Praxis führen würde, lehnt die Regierungsmehrheit von SPD und CDU jedoch ab.

Da die Proteste der Betroffenen nicht abreißen, sah sich das Innenministerium des Bundeslandes nun veranlaßt, in einem Faltblatt unter dem Titel „Anschlußbeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz (Wasser- und Abwasserbeiträge) 10 Fragen – 10 Antworten“ an die Öffentlichkeit zu wenden.

Den Betroffenen atmet aus diesem Faltblatt erneut die Arroganz der Macht entgegen, die weder Rücksicht auf die soziale Situation in dem an Arbeitslosen reichen Mecklenburg-Vorpommern, noch auf das Rechts- und Gerechtigkeitsgefühl der Menschen nimmt und auch die Lebensleistung zahlreicher Landeskinder mißachtet. Erneut präsentieren die Regierenden den Regierten hier das nach den Maßgaben des Kommunalabgabengesetzes juristisch abgesegnete Konstrukt, nach dem die mecklenburgisch-vorpommersche Versorgungs- und Entsorgungswelt im rechtlichen Sinne erst mit der Bildung der Zweckverbände und anderer Einrichtungen nach dem 3. Oktober 1990 entstanden ist. So heißt es dort: Bei der Frage, ob und in welcher Höhe eine Beitragspflicht entsteht, komme es nicht darauf an, welche Investitionen vor der Haustür des jeweiligen Grundstückseigentümers erfolgten. Entscheidend sei, daß die gesamte öffentliche Einrichtung den durch sie erschlossenen Grundstücken dauerhafte Vorteile biete. „Auf die Frage, ob sie bereits vor dem (rechtlichen) Entstehen der kommunalen Einrichtung einen Anschluß an eine zentrale Ver- und Entsorgung hatten, kommt es deshalb nicht an.“

Diese für das Abkassieren der Grundstückseigentümer sinnreiche Konstruktion nimmt keine Rücksicht darauf, daß die Anschlüsse aus DDR-Zeiten schon einmal bezahlt – aus der damaligen „Dritten Lohntüte“ – und so von den heute betroffenen Grundstückseigentümern mit erarbeitet worden sind. Sie nimmt keine Rücksicht darauf, daß es sich bei den heute belasteten Grundstückseigentümern um Menschen handelt, die nun auch in fast zwei Jahrzehnten der Existenz des wiedervereinigten Deutschland Gebühren für Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung entrichtet und damit zur Finanzierung der Systeme Erhebliches beigetragen haben. Sie nimmt auch keine Rücksicht darauf, daß die Menschen nicht bereit sind, für vielerorts erfahrene Fehlplanung und Mißwirtschaft in den Ver- und Entsorgungseinrichtungen einzustehen. Zum Teil müssen sie für die Folgen dieser Erscheinungen, für die alle bisherigen Landesregierungen seit 1990 die Verantwortung tragen, mit einer schleichenden Enteignung ihre mühsam erworbenen Besitzstandes büßen. Denn im Gegenzug zu Stundungsvereinbarungen mit Ratenzahlungen lassen Zweckverbände Sicherungshypotheken auf die Grundstücke eintragen.

Die Art in der sich das Innenministerium mit seinem Faltblatt an die Betroffenen wendet, ist nichts anderes als der Versuch von Gesundbeterei unhaltbarer Zustände. Die Betroffenen in Mecklenburg-Vorpommern erwarten von der Politik aber nicht Gesundbeterei, sondern Veränderung zum Guten. Wer das nicht begreifen will, wird viele Menschen in die Resignation und Verzweiflung treiben und kann sich nach der nächsten Landtagswahl dem Vorwurf ausgesetzt sehen, der beste Wahlkampfhelfer der NPD gewesen zu sein.